Auslegung von Bauverträgen

  • Allgemeine Grundsätze
    Für die Abgrenzung, welche Leistungen von der vertraglich vereinbarten Vergütung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an. Diese ist im Zusammenhang des gesamten Vertragswerks auszulegen. Haben die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart, gehören hierzu auch die Allgemeinen Technischen Bestimmungen für Bauleistungen, VOB/C (Ergänzung von BGH, Urteil vom 28. Februar 2002 – VII ZR 376/00, IBR 2002, 231 = BauR 2002, 935 = ZfBR 2002, 482 = NZBau 2002, 324).*)
    BGH, Urteil vom 27.07.2006 – VII ZR 202/04

    Dabei kommt dem Wortlaut eine besondere Bedeutung zu, weil der Empfängerkreis der Erklärung nur abstrakt bestimmt ist. Daneben sind auch die Umstände des Einzelfalls, also z.B. die konkreten Verhältnisse des Bauwerks, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 22. April 1993 – VII ZR 118/92 aaO). BGH, Urt. vom 11.11.1993 -VII ZR 47/93)

    Zur Klärung der vertraglichen Ansprüche sind die Vereinbarungen der Parteien nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Senats bei einem auf dem Vergabeverfahren der VOB/A beruhenden Vertragsschluss die Ausschreibung zugrunde zu legen, und zwar so, wie sie der maßgebliche Empfängerkreis, also die potentiellen Bieter, verstehen mußte, mit anderen Worten Grundlage der Auslegung ist der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter (Senatsurteil vom 22. April 1993 – VII ZR 118/92 = BauR 1993, 595 = ZfBR 1993, 219 (Farbpalette))

    Lässt der Wortlaut mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, ist derjenigen der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt.
    BGH, Urteil v. 12.04.2007 – VII ZR 236/05

    Bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts kann das nachträgliche Verhalten der Partei nur in der Weise berücksichtigt werden, dass es Rückschlüsse auf ihren tatsächlichen Willen und ihr tatsächliches Verständnis im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung zulassen kann.
    BGH, Urteil vom 07.12.2006 – VII ZR 166/05

  • Auslegung von Pauschalpositionen
    Es besteht keine Auslegungsregel, dass ein Vertrag mit einer unklaren Leistungsbeschreibung allein deshalb zu Lasten des Auftragnehmers auszulegen ist, weil dieser die Unklarheiten vor der Abgabe seines Angebots nicht aufgeklärt hat (im Anschluss an: BGH, Urteil vom 25. Juni 1987 – VII ZR 107/86, BauR 1987, 683, 684 = ZfBR 1987, 237; Urteil vom 25. Februar 1988 – VII ZR 310/86, BauR 1988, 338, 340).*)
    BGH, Urteil vom 13.03.2008 – VII ZR 194/06

    Verpflichtet sich ein Bauträger zur „umfassenden Modernisierung und Renovierung eines Altbaus im erforderlichen Umfang“, schließt das im Zweifel alle Maßnahmen ein, die für eine umfassende Modernisierung und Renovierung erforderlich sind. Dem steht nicht entgegen, dass einzelne Maßnahmen nicht in der Baubeschreibung aufgeführt sind.
    OLG München, Urteil vom 02.10.2001 – 9 U 2101/99

    Inwieweit eine detaillierte Angabe im Leistungsverzeichnis einer funktionalen Ausschreibung (hier: Abbruch einer Klinik) dazu führt, dass sie die Pauschalierung der Vergütung begrenzt, ergibt die Auslegung des Vertrages. Die Auslegung kann auch ergeben, dass die detaillierte Angabe lediglich die Geschäftsgrundlage des Vertrages beschreibt.*)

    Beschreibt der Auftraggeber in einem Pauschalvertrag Mengen oder die Mengen beeinflussende Faktoren (hier: Estrichstärke in einer Zulageposition), können diese zur Geschäftsgrundlage des Vertrages erhoben worden sein. Das kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Auftragnehmer davon ausgehen durfte, der Auftraggeber habe eine gewisse Gewähr für eine verlässliche Kalkulationsgrundlage geben wollen.
    In diesem Fall kommt ein Ausgleichsanspruch nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B in Betracht, wenn sich eine deutliche Mengensteigerung ergibt. Wirken sich die von den irreführenden Angaben des Auftraggebers im Vertrag abweichenden Mengen derart auf die Vergütung aus, dass das finanzielle Gesamtergebnis des Vertrages nicht nur den zu erwartenden Gewinn des Auftragnehmers aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt, ist das Festhalten an der Preisvereinbarung häufig nicht mehr zumutbar. Auf eine starre Risikogrenze von 20 % der Gesamtvergütung kann nicht abgestellt werden.*)
    BGH, Urteil vom 30.06 2011 – VII ZR 13/10

    Auch bei der Verpflichtung zur Herstellung eines schlüsselfertigen Baus kommen vergütungspflichtige Mehrleistungen in Betracht, wenn die Leistung nicht allein durch das Ziel, sondern auch durch weitere Vorgaben der Leistungsbeschreibung bestimmt ist.
    BGH, Urteil vom 22.3.1984 – VII ZR 50/82

    Auch wenn die Parteien „Wasserhaltung nach Wahl des AN“ vereinbart hatten, bedeutet dies nicht automatisch, dass der AN jede erforderliche Maßnahme der Wasserhaltung auf eigene Kosten zu erbringen hat.
    Trotz der erheblichen Bedeutung des Wortlauts für die Auslegung von Ausschreibungstexten besagt das nicht, daß die Leistungsbeschreibung wirklich jede Art der Wasserhaltung umfaßte. Formen der Wasserhaltung, die nach der konkreten Sachlage völlig ungewöhnlich und von keiner Seite zu erwarten waren, sind z.B. nach den Umständen des Falles möglicherweise nicht inbegriffen (vgl. etwa MünchKomm/Mayer-Maly, 3. Aufl., § 133 Rdn. 43, 44; Palandt/Heinrichs, 52. Aufl., § 133 Rdn. 15), weil gemäß § 133 BGB nicht am buchstäblichen Wortlaut zu haften, vielmehr der erklärte wirkliche Wille zu erforschen ist. Auch muß sich die Beklagte nach Treu und Glauben daran festhalten lassen, daß sie nach ihrem eigenen Bekunden (§ 9 VOB/A) ihren Auftragnehmern kein ungewöhnliches Wagnis zumuten will. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, daß auch ein ungewöhnliches Wagnis Vertragsinhalt wird. Im Zweifelsfalle muß sich aber die Beklagte gefallen lassen, daß die Empfänger ihrer Erklärungen, auf deren objektiviertes Verständnis es letztlich ankommt, ein solches Wagnis nicht ohne weiteres zu erwarten brauchen und daß es dann ggf. auch nicht Vertragsinhalt wird.

    Erweist sich bei dieser Auslegung die Leistungsbeschreibung hinsichtlich der hier streitigen Maßnahmen als unvollständig, wie das Berufungsgericht ohne nähere Erörterung oder Begründung meint, dann sind sie nicht Gegenstand der unmittelbar vertraglich geschuldeten Leistung, können also im VOB-Vertrag nur als zusätzliche Leistungen geschuldet sein.
    BGH, Urt. vom 11.11.1993 -VII ZR 47/93

    Legt der AG im Rahmen der Vertragsverhandlungen offen und gibt zu erkennen, dass er dieses Risiko auf den AN übertragen will, ohne dass sich dazu eine eindeutige Beschreibung in den Vertragsunterlagen befindet, ist ein Vertrauen des AN, kein ungewöhnliches Wagnis i.S. von § 9 VOB/A aufgebürdet zu bekommen, nicht begründet.

    Ein vereinbarter Nachlass gilt nur dann für Folgeaufträge, wenn die Parteien einen pauschalen Nachlass in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes auf die Hauptauftragssumme vereinbart haben
    BGH, Beschluss vom 08.06.2006 – VII ZR 37/06 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)