Irrtümer bei der Angebotsabgabe

Irrtümer des Bieters bei der Angebotsabgabe treten immer wieder auf. Die Folgen können gravierend sein.
So kann ein Kommafehler beim Einheitspreis sehr teuer werden, insbesondere, wenn es sich um eine Position handelt, die eine größere wirtschaftliche Bedeutung hat. Gleiches gilt für Schreibfehler, zum Beispiel, wenn ein Bieter statt einer 1 eine 7 schreibt.
Für die rechtliche Beurteilung kommt es auf die Art des Fehlers an.
Hat sich der Bieter lediglich verschrieben, kommt eine Anfechtung wegen Erklärungsirrtums in Betracht. Erfolgt die Anfechtung unverzüglich, ist die Willenserklärung des Bieters nichtig (§ 142 BGB). Folge der Anfechtung in zivilrechtlicher Hinsicht ist die Verpflichtung des Anfechtenden, der anderen Partei den Schaden zu ersetzen, der entstanden ist, weil die andere Partei auf die Wirksamkeit der Willenserklärung vertraute (sogenannter Vertrauensschaden).
In vergaberechtlicher Hinsicht folgt aus der Nichtigkeit des Angebotspreises, dass das Angebot unvollständig und nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) VOB/A von der Wertung auszuschließen ist(VK Nordbayern, B. v. 12.12.2001 – Az.: 320.VK-3194-41/01) ist. Die Rechtsfolge einer Irrtumsanfechtung ist also, dass wegen Fehlens einer Preisangabe kein wertbares Angebot vorliegt. Der Bieter hat somit nur die Wahl, entweder sein Angebot durch eine Anfechtung „ungültig“ zu machen oder sich an dem (irrtümlich) eingesetzten Preis festhalten zu lassen (VK Hessen, B. v. 18.3.2002 – Az.: 69 d VK – 03/2002).
Schwieriger zu beurteilen sind die Fälle, ist in denen der Bieter versehentlich seine Leistung falsch kalkuliert hat, zum Beispiel, weil er eine erforderliche Leistungen preislich nicht berücksichtigt oder ihm schlicht ein Rechenfehler unterlaufen ist. Bei derartigen Fehlern handelt es sich um einen so genannten Kalkulationsirrtum, der von den möglichen  Anfechtungsgründen des BGB nicht erfasst wird, denn der Irrtum des Anbietenden erfolgte nicht bei der Erklärung, sondern schon vorher, bei den Beweggründen für die Abgabe der Erklärung.
In diesen Fällen kommt aber ein Schadensersatzanspruch des Bieters gegen den Auftraggeber in Betracht, wenn dieser einen Kalkulationsirrtum des Bieters vor Vertragsschluss erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat. Die genauen Grenzen dieses Anspruchs sind schwer zu ziehen, denn bei zu geringen Anforderungen  wäre es für Bieter ein Leichtes, sich nachträglich von ihrem Angebot wieder zu distanzieren, etwa weil sie erkannt haben, dass sie ihre Leistung zu günstig angeboten haben.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass es eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellen kann, wenn der Empfänger eines Vertragsangebots dieses annimmt und auf der Durchführung des Vertrages besteht, obwohl er erkannt hat oder sich treuwidrig der Erkenntnis verschloss, dass es auf einem (erheblichen) Kalkulationsirrtum des Anbieters beruht (BGHZ 139, 177, 184 unter 2 b mwN).

Der Bundesgerichtshof stellte nunmehr klar, dass die Schwelle zum Pflichtenverstoß durch Erteilung des Zuschlags zu einem kalkulationsirrtumsbehafteten Preis im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge dann überschritten ist, wenn dem Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechterdings nicht mehr angesonnen werden könne, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer auch nur annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringende Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen. Verhält es sich so und führt der Auftraggeber gleichwohl den Vertragsschluss herbei, kann der Bieter vertraglichen Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüchen ein Leistungsverweigerungsrecht entgegensetzen.
BGH, Urteil vom 11.11.2014 – X ZR 32/14
Für die Beurteilung der Erheblichkeit des Irrtums kommt es auf den Einzelfall an. Im entschiedenen Rechtsstreit hatte das Berufungsgericht einerseits auf die Massivität des Irrtums abgestellt, welcher dazu geführt habe, dass das Angebot des um 27 Prozent unter dem nächst günstigen Mitbewerber gelegen habe. Der Bundesgerichtshof hat diese Erwägungen akzeptiert, aber zugleich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um ein in jedem Fall erforderliches oder hinreichendes Kriterium handele. Es komme immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Insbesondere sei auch das jeweilige Auftragsvolumen von Bedeutung.