LG Braunschweig, Urteil vom 26.01.2000, Az. 9 O 2705/99 – „…online.de/stadt-info.de“

Gericht: LG Braunschweig
Aktenzeichen: 9 O 2705/99
Entscheidungsdatum: 26.01.2000
Der Inhaber der eingetragenen Marke „Stadt-Info“ kann die Benutzung der Bezeichnung „…-Online/Stadt-Info“ nicht untersagen. Die Verwendung des Begriffes „Stadt-Info“ im Sinne eines Links- oder Inhaltsverzeichnisses, um den Benutzer das Aufblättern der entsprechenden Seite der Homepage zu ermöglichen, ist von § 23 Ziff. 2 MarkenG. gedeckt.

LANDGERICHT BRAUNSCHWEIG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Tatbestand:

Mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung macht die Verfügungsklägerin Markenrechte geltend.

Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin der am 12.08.1996 eingetragenen Marke „Stadtinfo“ für die Waren- und Dienstleistungsklassen 09, 35, 38, 42. Die Verfügungsbeklagte betreibt einen Informationsdienst und ist Inhaberin der Internet-Domain „… .de“. Auf ihrer Homepage verwendet sie auch den Begriff „Stadtinfo“ in folgender Form: „…-online/stadtinfo“.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, mit der Verwendung auf ihrer Homepage verletze die Verfügungsbeklagte ihre Rechte an der eingetragenen Marke „Stadtinfo“. Bei „Stadtinfo“ handele es sich um einen zusammengesetzten Begriff, der in dieser Form außerhalb ihrer Marke nicht im Sprachgebrauch auftauche. Daher erfülle er in vollem Umfang die Schutzvoraussetzungen des Markengesetzes und verstoße insbesondere nicht gegen § 8 MarkenG. Weiterhin bestehe auch kein Freihaltebedürfnis für diesen Begriff. Die Verwendung des geschützten Begriffes stelle auch anlehnende Werbung dar, die nach § 1 UWG wettbewerbswidrig sei.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen,

a. das Zeichen „Stadtinfo“ in identischer oder ähnlicher Form, insbesondere unter Hinzufügung von Zusätzen wie „s“, „www.“, „net“, „com“, „de“, „s.net“, „s.com“, „s.de“, „…-online/stadtinfo“ zur Bezeichnung von Dienstleistungen oder Informationen im Internet, insbesondere auf Internetseiten oder als Domainnamen, als Subdomain oder Vorschaltung des Domainnamens zu verwenden,

b. das Zeichen oder ein ähnliches Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung für die Klassen 9, 35, 38, 39 insbesondere im Internet zu benutzen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte weist zunächst darauf hin, daß sie den Begriff „Stadtinfo“ nicht als Bestandteil ihrer Internet-Domain führe. Darüber hinaus bezweifelt die Verfügungsbeklagte die Eintragungsfähigkeit des Begriffes „Stadtinfo“ als Marke und beruft sich letztlich auf ein Freihaltebedürfnis, da sich im Internet zahlreiche Eintragungen mit dem Begriff „Stadtinfo“ befänden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, sowie auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen, da er unbegründet ist.

Die Verfügungsklägerin kann sich für die von ihr begehrte einstweilige Verfügung weder auf markenrechtliche Ansprüche noch auf Ansprüche nach dem UWG als Verfügungsanspruch stützen.

I. Die Verfügungsklägerin hat einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 5 MarkenG nicht glaubhaft machen können, da ihrem Unterlassungsanspruch die Vorschrift des § 23 Ziffer 2 MarkenG entgegensteht.

Grundsätzlich kann zwar die Verfügungsklägerin markenrechtlichen Schutz für ihre eingetragene Marke „Stadtinfo“ nach § 14 ff MarkenG beanspruchen. Soweit die Verfügungsbeklagte mangelnde Eintragsfähigkeit gem. § 8 Ziffer 3 MarkenG einwendet, wäre dies im Verletzungsprozeß unerheblich, da die angerufene Kammer als Verletzungsgericht an die Eintragungsentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes gebunden ist (Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 8 Rn 21). Im übrigen ist es auch weder der Verfügungsbeklagten in diesem Verfahren noch den Verfügungsbeklagten in den gleichgelagerten Parallelverfahren gelungen, hinreichend darzulegen, daß bereits zum Zeitpunkt der Eintragung vom 02.06.1997 der Begriff „Stadtinfo“ allgemein lediglich als beschreibende Angabe verwendet worden ist. Nur bei einem aktuellen Freihaltebedürfnis hätte jedoch ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Ziffer 3 MarkenG bestanden. Im übrigen ist auch auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu verweisen, nach der auch bei beschreibenden Angaben bei der Eintragungspraxis großzügig zu verfahren ist, während Konfliktsfälle nach § 23 Ziffer 2 MarkenG zu lösen sind (BGH, GRUR 1999, 238 – „Tour de culture“).

Die Verfügungsbeklagte kann aber den Schutz des § 23 Ziffer 2 MarkenG in Anspruch nehmen. Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 MarkenG ist gegenüber der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Ziffer 3 MarkenG insoweit erweiternd, als sie auch die Verwendung beschreibender Begriffe erlaubt, wenn sich nach der Eintragung ein Freihaltebedürfnis für diesen Begriff gebildet hat (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 23 Rn. 39). Voraussetzung ist dabei lediglich, daß der Begriff nicht markenmäßig verwendet wird (Fezer, a.a.O. § 23 Rn. 10; anderer Ansicht, aber im Ergebnis unzutreffend, Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 23 Rn.35). Vorliegend reicht der Vortrag der Verfügungsbeklagten zumindest dafür aus, daß sich nachträglich ein Freihaltebedürfnis für den Begriff „Stadtinfo“ entwickelt hat. In der Tat weist der Begriff „Stadtinfo“ auch stark deskriptive Merkmale auf, da er die gebräuchlichen Bestandteile „Stadt“ und „info“ als Abkürzung für Information enthält. Das nunmehr entstandene Freiheitsbedürfnis an der im Gesamtbegriff jedoch nicht ausschließlich beschreibenden und somit schutzfähigen Bezeichnung „Stadtinfo“ hat sich durch die intensivere Nutzung des Internets als neue technische Möglichkeit der Informationsbesorgung entwickelt. Im Internet ist es gebräuchlich, möglichst kurze und prägnante Begriffe zu verwenden, um den Benutzer des Internets möglichst schnell zu den angebotenen Informationen führen zu können. Aus diesem Gesichtspunkt entsteht das Bedürfnis, längere Begriffe durch Abkürzungen zu ersetzen, um dem Benutzer aufwendige und längere Eingabe von Begriffen zu ersparen. Insofern ist ohne weiteres erklärlich, daß aus dem Begriff „Information“ oder „Informationen“ verstärkt der Begriff „Info“ verwendet wird und mit dem Begriff verbunden wird, über den die Information angeboten wird, hier „Stadt“, so daß nunmehr – anders als zum Zeitpunkt der Eintragung – ein Freihaltebedürfnis für den zusammengesetzten Begriff „Stadtinfo“ besteht.

Die Verfügungsbeklagte verwendet den Begriff „Stadtinfo“ auch nicht im Sinne einer Marke, da sie ihn nicht als Internet-Domain verwendet. Bestandteile der Internet-Domain sind die sogenannte Top-Level-Domain, hier „de“ für die Firma Denic, und die sog. „Second-Level-Domain, die den eigentlichen namensgebenden und identifizierenden Charakter übernimmt. Die Verfügungsbeklagte verwendet „Stadtinfo“ aber nicht in der Second-Level-Domain, sondern nur im Sinne eines Links oder Inhaltsverzeichnisses, um dem Benutzer das Aufblättern der entsprechenden Seite der Homepage der Verfügungsbeklagten zu ermöglichen.

Die vorgenannte Verwendung ist auch nicht unredlich im Sinne des § 23 MarkenG. Grundsätzlich ist die Verwendung eines freihaltebedürftigen beschreibenden Begriffes nicht als unredlich anzusehen, sondern es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Verwendung ausnahmsweise unredlich erscheinen lassen (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 23 Rn. 9). Die Verwendung als Link oder reines Inhaltsverzeichnis ist jedoch in keiner Weise unredlich, da durch diese Art der Verwendung Internet-Benutzer nicht zu Lasten der Verfügungsklägerin ausschließlich auf die Homepage der Verfügungsbeklagten gezogen werden.

II. Auch auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb kann die Verfügungsklägerin ihren Anspruch nicht stützen. Solange die geschützte Marke der Verfügungsklägerin nicht als Domainname oder in übertriebenem Maße blickfangmäßig herausgestellt wird, bestehen weder unter § 1 UWG noch unter § 3 UWG Anhaltspunkte für wettbewerbswidriges Verhalten der Verfügungsbeklagten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziffer 6, 711 ZPO. Gemäß § 3 ZPO war der Streitwert nach dem Interesse der Verfügungsklägerin an der mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung begehrten Unterlassung zu bemessen. Hierbei war einerseits zu berücksichtigen, daß es sich um eine eingetragene Marke der Verfügungsklägerin handelt, die bereits sei zwei Jahren in Kraft steht. Auch der Angriffsfaktor war nicht als völlig unbedeutend anzusehen, da die von der Verfügungsklägerin angegriffene Verletzung im Internet erfolgt ist und daher einen großen Verbreitungsgrad aufweist. Insgesamt handelt es sich um eine mittlere Markenrechtsstreitigkeit, so daß für den Unterlassungsanspruch ein Streitwert von 25.000,00 DM als angemessen erscheint.